The Liverpool Companion to World Science Fiction Film

Erschienen in der Zeitschrift für Fantasikforschung Nr. 10 2015.

Dass die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem SF-Kino stark USA-lastig ist, dürfte unbestritten sein, hat aber offensichtliche Gründe. Denn obwohl SF keine genuin amerikanische Erfindung ist, wird sie oft als solche wahrgenommen. Mit dem Film verhält es sich ähnlich. Zumindest die Leinwände der westlichen Welt werden heute von Hollywood dominiert. Dass es daneben auch noch andere Kinoindustrien gibt, deren Produktion teilweise sogar noch umfangreicher ist als die der US-amerikanischen Filmindustrie, wird oft vergessen, da diese meist nur für den heimatlichen Markt produzieren. Im SF-Film kulminieren diese beiden Tendenzen gewissermaßen. Zwar gab und gibt es von Aelita (SU 1924, Regie: Yakov Protazanov) und Metropoli (D 1927, Regie: Fritz Lang) über Fahrenheit 451 (GB 1966, Regie: François Truffaut) und Stalker (SU 1979, Regie: Andrej Tarkowskij) bis Under the Skin (GB/USA/CH 2013, Regie: Jonathan Glazer)[ref]Siehe zu Under the Skin auch meine Rezension.[/ref] immer wieder bemerkenswerte europäische SF-Filme, im Gegensatz zu den USA handelt es sich hierbei aber in aller Regel um Einzelwerke. Eigentliche Genretraditionen können sich nur in einem industriellen Kontext herausbilden, die fragmentierte und kleinräumige europäische Filmindustrie bietet hierfür denkbar schlechte Voraussetzungen. Als Ausnahmen ließen sich hier allenfalls England sowie einige osteuropäische Staaten anführen.

The Liverpool Companion to World Science Fiction Film

The Liverpool Companion to World Science Fiction Film

Obwohl Hollywood keineswegs immer an SF interessiert war – vor 1950 war das Genre praktisch inexistent –, spielt diese mittlerweile eine zentrale Rolle in der Blockbuster-Strategie der großen Studios. Außerhalb der USA fehlen meist Geld und Know-how, um mit den Mega-Produktionen mithalten zu können. SF dient somit nicht zuletzt dazu, die Vormachtstellung der amerikanischen Filmindustrie zu zementieren. Freilich gibt es dennoch immer wieder Versuche, außerhalb von Hollywood SF-Filme zu produzieren. Von der Forschung wurden diese bislang aber weitgehend ignoriert. Der Liverpool Companion to World Science Fiction Film schickt sich nun an, diese Lücke zumindest teilweise zu schließen.

Dass die 14 Kapitel des Sammelbands die weltweite SF-Produktion nicht erschöpfend abdecken können, versteht sich von selbst. Das erklärte Ziel von Herausgeberin Sonja Fritzsche ist nicht Vollständigkeit, sondern, «to make visible the incredible variety of science fiction film-making around the world» (5). Vielfältig sind nicht nur die behandelten Filmtraditionen, sondern auch die gewählten Ansätze. So widmen sich Ritch Calvin und Ji Zhang jeweils «ersten» Filmen. Im Falle von Zhang ist das Death Ray on a Coral Island (CN 1980, Regie: Zhang Hongmei), «arguably the first science fiction film produced in post-1949 China» (39), bei Calvin Pumzi (KE 2009, Regie: Wanuri Kahiu), «the first Kenyan science fiction film» (23). Jenseits der Tatsache, dass beide Filme jeweils als «offizielle» erste SF-Filme gelten, haben die Werke freilich wenig gemein. Pumzi, ein mit einem Budget von lediglich 35’000 Dollar gedrehter postapokalyptischer Kurzfilm, der sich mit Wasserknappheit und der Rolle der Frau auseinandersetzt, ist das Werk einer engagierten Künstlerin, produziert in einem Land, in dem weder Film noch SF Tradition haben.[ref]Der Film ist auf YouTube verfügbar,[/ref] Death Ray, in dem ein Wissenschaftler eine Superbatterie entwickelt, die westliche Mächte für finstere Zwecke missbrauchen wollen, entstand dagegen während des Golden Age der chinesischen SF, einer kurzen Phase von 1978 bis 1983, in der das Genre vom Regime als Mittel «to popularize scientific knowledge and inspire youths interested in scientific research» (39) offiziell gefördert wurde. In beiden Fällen kommt den Filmen somit eine politische Funktion zu, wenn auch unter sehr unterschiedlichen Vorzeichen.

Politik spielte auch bei der Stanisław-Lem-Verfilmung Der schweigende Stern (DDR/PL 1960, Regie: Kurt Maetzig), dem ersten osteuropäischen SF-Film, eine entscheidende Rolle, wobei die beteiligten Parteien sehr unterschiedliche Ziele verfolgten. Während man in Moskau die Überlegenheit bei der Eroberung des Alls demonstrieren und die polnischen Produzenten der lemschen Vorlage gerecht werden wollten, war das Ziel der DEFA, «to spread an egalitarian warning to the world that would also encourage more investment in space explorations» (125). Ganz im Sinne dieses pazifistischen Ansatzes ist die Crew in Kurt Maetzigs Film ethnisch und geschlechtsmäßig durchmischt. Wie Evan Torners Analyse zeigt, gelang es den Filmemachern aber insbesondere bei den weiblichen Figuren dennoch nicht, sich von etablierten Stereotypen zu lösen.

Der schweigende Stern.

Der schweigende Stern.

Steht bei den genannten Artikeln jeweils ein Film im Zentrum, sind andere übersichtsartig angelegt. So widmen sich Jessica Lange und Dominic Alessio dem indischen SF-Kino, dessen Tradition bis in die 1950er Jahre zurückreicht. Insbesondere seit der Jahrtausendwende erlebt der indische SF-Film einen Boom; über 30 Filme wurden seither produziert, viele davon mit großem finanziellem und technischem Aufwand. Enthiran (IN 2010, Regie: S. Shankar), auf den die Autoren ausführlicher eingehen, ist sogar die kommerziell erfolgreichste indische Produktion aller Zeiten. Obwohl dieser Film Elemente enthält, die für das indische Kino typisch sind – allen voran musikalische Einlagen –, sind insbesondere die Actionszenen deutlich von Hollywood inspiriert. An den Special Effects – eine besonders überbordende Actionsequenz hat auf YouTube mittlerweile fast vier Millionen Zuschauer gefunden – waren denn auch namhafte US-amerikanische Firmen wie Industrial Light and Magic beteiligt.

An einem Film wie Enthiran tritt eine Tendenz besonders deutlich zutage, die sich in fast allen Artikeln zeigt: Hollywood bleibt als Bezugsgröße stets präsent. Und das gilt sowohl für die Analysen wie auch für die Filmemacher. Sei es im Versuch, mit Hollywood in Sachen exaltierter Action gleichzuziehen wie im Falle von Enthiran oder in der bewussten Abgrenzung gegenüber der US-amerikanischen SF. Derek Johnston macht diese Haltung im britischen Kino aus, das insbesondere in Form der Hammer Studios auf einen, wie man heute sagen würde, transmedialen Ansatz setzte: Durch die Adaption bestehender Radio-, Bühnen- und Fernsehproduktionen kreierte das Studio «a particularly British slant on the genre» (100).

Frankreich als Land, das nicht nur eine reiche Filmtradition besitzt, sondern auch auf eine lange SF-Geschichte zurückblicken kann – zu erwähnen wäre nicht nur Jules Verne, sondern auch der Bereich der Comics –, ist ein besonders aufschlussreiches Beispiel. Wie Daniel Tron in seinem Artikel argumentiert, hat die maßgeblich durch die Nouvelle Vague begründete Tradition des Autorenfilms dazu geführt, dass es im Grunde kein französisches Genrekino gibt. Bekannte französische SF-Filme wie La jetée (FR 1962, Regie: Chris Marker), Alphaville (FR/IT 1965, Regie: Jean-Luc Godard) und Je t’aime, je t’aime (FR 1968, Regie: Alain Resnais) sind deshalb «either first films or remain one-shot experiments in the filmography of each director» (150). Genreaffine Regisseure wie Luc Besson können ihre Filme dagegen nur als internationale Koproduktion realisieren.

Alphaville

Science Fiction ausserhalb der Genretradition: Alphaville von Jean-Luc Godard.

Als erster Versuch, den US-geprägten Kanon des SF-Kinos aufzubrechen, ist der Liverpool Companion zweifellos ein wichtiger Beitrag. Dass das Buch nur einen Anfang darstellt, deklariert Fritzsche bereits in der Einleitung. Damit möchte sie wohl auch Kritik abwehren, bei den behandelten Regionen zu selektiv verfahren zu sein. Völlig entkräften kann sie diesen Vorwurf allerdings nicht. Die Auswahl der untersuchten Länder und Regionen wirkt relativ beliebig und zeigt zudem einen starken westlichen Einschlag. Fast die Hälfte der Beiträge beschäftigt sich mit europäischen Ländern, der afrikanische Kontinent wird dagegen nur mit dem Artikel zu Pumzi bedacht; das im Bereich Genrekino höchst produktive Hongkong wird nicht behandelt, Australien ohnehin nicht, und auch der gesamte arabische Raum ist abwesend.

Für diese Lücken gibt es zweifellos verschiedene Gründe; nicht zuletzt ist es gut möglich, dass die SF in manchen Kulturkreisen nach wie vor nicht Fuß fassen konnte. Solche weißen Flecken zu behandeln, wäre aber ebenfalls interessant gewesen. Überlegungen dazu, warum es keine arabische SF gibt – falls dem so sein sollte –, hätten eine echte Bereicherung dargestellt.

Transmorphers

Billiges Imitat eines schlechten Films: Transmorphers.

Zum Eindruck der Beliebigkeit trägt ausgerechnet einer der interessantesten Beiträge des Bandes mit bei, Paweł Freliks Ausführungen zu «digital audiences». Frelik setzt sich darin mit verschiedenen Phänomenen auseinander, die erst im Zeitalter günstiger digitaler Produktionsmittel entstehen konnten. Da ist zum einen das, was Frelik «science fiction exploitation cinema» (248) nennt, Billigst-Produktionen, die direkt auf DVD vertrieben werden. Neben den «Mockbustern» der Produktionsfirma Asylum wie Transmorphers (US 2007, Regie: Leigh Scott), AVH: Aliens Vs. Hunter (US 2007, Regie: Scott Harper) oder The Day the Earth Stopped (US 2008, Regie: C. Thomas Howell), die im Windschatten großer Produktionen segeln, sind auch wieder auferstandene (trashige) Subgenres wie etwa Giant-mutant-animal-Streifen zu nennen. Diese Filme setzen zwar auf digitale Effekte, haben aber nicht den Anspruch, qualitativ mit Großproduktionen gleichzuziehen; vielmehr setzen sie die Verfahren ein, die ihnen gängige Schnitt- und Effektprogramme von Haus aus zur Verfügung stellen. Das Ergebnis ist in jeder Hinsicht generisch.

Dass die verfügbaren Werkzeuge die Produktion maßgeblich beeinflussen, zeigt auch der Boom von SF-Kurzfilmen, bei denen es nicht selten einzig darum geht, mit visueller Extravaganz zu beeindrucken, während der Plot rudimentär bleibt. Noch einmal ein anderes Gebiet schneidet Frelik schließlich mit Erscheinungen wie Remixes und Fan-Edits an, in denen sich Fans bestehende Filme aneignen und dem Material eine neue Form geben. Wie gesagt: Das sind faszinierende und von der Wissenschaft noch weitgehend unbeackerte Felder, aber obwohl Frelik die Internationalität der SF-Kurzfilmproduktion betont, will sein Beitrag nicht so recht zur Ausrichtung des Bandes passen.

Dass digitale Produktionstechniken und nicht zuletzt die Möglichkeit der Distribution übers Netz gerade für finanzschwache Länder von eminenter Bedeutung sind, wird von verschiedenen Autoren hervorgehoben. Umso unverständlicher ist da, dass Angaben zu zu den online verfügbaren Filmen weitgehend fehlen. In der Bibliografie ist zwar jeweils der Hinweis «Film Short Online» zu lesen, eine URL sucht man aber vergeblich.

Fritzsche, Sonja (Hg.): The Liverpool Companion to World Science Fiction Film. Liverpool: Liverpool University Press, 2014.
277 Seiten, 978-1781380383, € 106. Erhältlich bei Amazon.

Die Zukunft der Arbeit

Dass Roboter eine Bedrohung für die Menschheit darstellen, wissen wir aus zahlreichen SF-Filmen und -Romanen. Doch in der Realität scheint die Gefahr nicht von Terminatoren auszugehen, sondern von vorderhand völlig harmlosen, durchaus nützlichen Maschinen. In jüngster Zeit sind mehrere Studien zur Arbeitswelt von morgen erschienen, und der Tenor ist dabei stets derselbe: Fortschritte in der Robotertechnik und bei intelligenten Systemen werden dazu führen, dass immer mehr Tätigkeiten nicht mehr von Menschen, sondern von zuverlässigeren und vor allem günstigeren Maschinen ausgeführt werden. Ein Beispiel: Eine Studie von Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborne der Oxford University kommt zum Schluss, dass 47 Prozent der Stellen in den USA mittelfristig von computerisierten System übernommen werden könnten; eine auf dieser Studie aufbauende Untersuchung kommt für die Schweiz zu ähnlichen Zahlen.

Die Autoren der Oxford-Studie unterscheiden zwischen 702 verschiedenen Berufsgattungen und nehmen Einschätzungen vor, wie wahrscheinlich es ist, dass dereinst Maschinen die jeweiligen Aufgaben übernehmen. Nicht weiter erstaunlich, sind hoch repetitive Jobs, die weder besondere Kreativität noch soziale Kompetenzen voraussetzen, stärker bedroht als solche, bei denen Ideen oder der zwischenmenschliche Kontakt wichtig sind. Zuunterst auf der Liste tauchen Beschäftigungen wie Telefonverkäufer (wobei hier social skills doch eigentlich wichtig wären), Versicherungsangstellte sowie alle möglichen Arten von Servicetechnikern auf. Ganz oben auf der Liste und somit unersetzlich sind zahlreiche Berufe aus dem medizinischen und therapeutischen Bereich. Filmwissenschaftler sind in der Studie zwar nicht erwähnt, aber dennoch halbwegs beruhigend für mich: Für «writers and authors» beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass sie ersetzt werden nur 0.038 (wobei 0 «nicht computerisierbar» und 1 «computerisierbar» bedeutet).

Der Terminator

Die Zukunft des Telefonmarketings?

Für sich genommen wäre diese Prognose nicht sonderlich alarmierend, schliesslich ist im Laufe der Geschichte so mancher Berufszweig verschwunden. Es gibt zumindest in unseren Breitengraden keine Weber und Spinner mehr, Züge fahren ohne Heizer und auch der Bedarf an Kutschern und Sattlern ist heute noch mehr sehr gross wie einst. Der grosse Unterschied der kommenden industriellen Revolution zu früheren sei aber, dass die wegfallenden Jobs nicht durch neue kompensiert werden. Die Gesamtmenge der verfügbaren Arbeit wird deutlich schrumpfen. Ob diese Voraussage zutrifft, ist freilich umstritten. Während das eine Lager darauf verweist, dass in der Vergangenheit zwar Berufszweige verschwanden, aber immer auch neue entstanden, ist die andere Seite überzeugt, dass die Situation dieses Mal grundsätzlich anders sei.[ref]In einem Paper der Bank of America Merril Lynch ist dieser Punkt deutlich offener formuliert: «The limiting case here would be general purpose robots that are effective substitutes for human labor but at a fraction of the cost. In that case, widespread unemployment could be an outcome – it depends on whether there develops a large enough sector in the economy where humans have a comparative advantage. This could be the arts and entertainment, or personal care services, or areas that involve deeper analytical thinking that is not amenable to existing forms of AI. The transitions from agriculture to manufacturing, and then manufacturing to services, were feared by some to result in mass unemployment. What happened instead is that some old jobs gradually disappeared as technological progress supplanted them, while new – often unanticipated – jobs arose in their place. This was not always ideal for individual workers, who may have found it very difficult or near impossible to make the kind of transitions needed to gain new work, but overall neither of these transitions caused a massive rise in unemployment. The same may well be true for the next transition.» Siehe dazu auch den Artikel von Steve Denning auf Forbes.com.[/ref]

Natürlich sind solche Prognosen stets mit Vorsicht zu geniessen sind; wenn uns die Geschichte etwas lehrt, dann, dass die Zukunft meist anders kommt, als man denkt. Und wenn ich mir anschaue, wie fehleranfällig Technik oft ist – gerade ist mir ein externe Festplatte abgerauscht –, dann bin ich doch ein bisschen skeptisch, ob die automatisierte Zukunft tatsächlich so viel zuverlässiger sein wird.

Ich möchte hier auch gar nicht auf die Stichhaltigkeit dieser und anderer Studien eingehen, sondern darauf, wie diese anscheinend unvermeidbare Zukunft wahrgenommen wird. Vielleicht täusche ich mich, aber mir scheint, dass diese Veränderung meist als negative dargestellt wird. Der Tages-Anzeiger etwa titelte diese Woche «Lernende Roboter als ‹grösste existenzielle Bedrohung›». Der eigentlich Artikel erweist sich zwar als weniger reisserisch, die Aussicht, dass viele Arbeiten dereinst von Maschinen übernommen werden, erscheint alles in allem aber als unerfreulich, als Problem.

Wenn in den nächsten 20, 30 Jahren, tatsächlich die Hälfte oder auch nur ein Drittel oder Viertel der heute existierenden Arbeitsplätze verschwinden würde, dann wäre das für den Sozialstaat, wie wir ihn heute haben, in der Tat eine verheerende Entwicklung. Steuereinnahmen würden zurückgehen, zugleich wären viel mehr Menschen mangels Stelle auf Unterstützung angewiesen. Unsere aktuellen Einrichtungen wären kaum in der Lage, diese Entwicklung aufzufangen.

Allerdings ist unser aktuelles System nicht das einzig mögliche, und deshalb lohnt es sich, mal einen Blick in die utopische Literatur zu werfen. Dabei zeigt sich, dass die Reduktion der Arbeitszeit zu den grossen Konstanten der Utopiegeschichte gehört. Dies beginnt bereits mit Thomas Morus’ Utopia. Auf der Insel Utopia arbeiten alle, zudem wurden zahlreiche überflüssige «Luxusberufe» abgeschafft. Es gibt somit weniger Arbeit, die auf mehr Leute verteilt wird. Das Ergebnis: Auf Utopia muss jeder Einwohner nur sechs Stunden pro Tag arbeiten. Bei Morus erscheint dies selbstredend als etwas durch und durch Positives; in der Freizeit bilden sich die Utopier weiter, treiben Sport, frönen der Künste.

Dieses Muster zieht sich durch die ganze Utopiegeschichte. Zum Beispiel führte der englische Sozialist und Reformer Robert Owen in seiner utopischen Siedlung New Lanark den Zehnstunden-Tag ein, was zwar mehr ist als bei Morus, angesichts des damals üblichen 14-Stunden-Tages aber bereits eine sichtliche Verbesserung darstellte (später forderte Owen dann den Acht-Stunden-Tag). In Edward Bellamys Looking Backward: 2000–1887 (1888) wiederum wird man bereits im Alter von 45 Jahren in Rente geschickt.

Das sind nur drei Beispiele, es liessen sich zahlreiche weitere anführen. – Wenn man die utopische Literatur als Indiz dafür nimmt, welche Vorstellungen sich die Menschen zu unterschiedlichen Zeiten von einem besseren Leben machten, dann scheint der Wunsch nach weniger Arbeit deutlich häufiger zu sein als der nach längeren Arbeitstagen.[ref]Eine Ausnahme dürfte William Morris’ News from Nowhere darstellen. Da es bei Morris keine entfremdeten Tätigkeiten mehr gibt und jeder mit Inbrunst bei der Arbeit ist, ist der Unterschied zwischen Arbeit und Freizeit bis zu einem gewissen Grad aufgehoben.[/ref]

Die Sorge, dass wir dereinst zu wenig Arbeit haben, hat auch auf einer individuellen Ebene etwas Absurdes. Zumindest in meinem Umfeld höre ich andauernd, wie sehr die Leute überlastet sind, dass sie mit der schieren Menge an Arbeit kaum noch nachkommen. E-Mail und Mobiltelefone haben längst dazu geführt, dass die Arbeitszeit immer mehr in die Freizeit überschwappt, die Folgen kennen wir alle, der Burnout ist mittlerweile zur regelrechten Volkskrankheit geworden. Und da soll die Aussicht, dass weniger Arbeit auf mehr Leute verteilt werden muss, nicht erfreulich sein?

Obwohl ich alles andere als ein bedingungsloser Anhänger von Fredric Jameson bin, scheint mir in solchen Momenten seine Diagnose, dass wir schlicht unfähig sind, eine Alternative zum aktuellen (kapitalistischen) System zu denken, durchaus stichhaltig. Was Martin Ford in einem Buch als Rise of the Robots (interessant, wie da wieder das bedrohliche SF-Vokabular in Spiel kommt) bezeichnet, ist nur dann ein Problem, wenn wir auf Biegen und Brechen an der 40-Stunden-Woche festhalten. Aber dazu gibt es eigentlich keinen Grund. Ich habe «kapitalistisch» zu Beginn dieses Absatzes ganz bewusst in Klammern gesetzt, denn das Wirtschaftssystem hat mit der Frage der durchschnittlichen Arbeitszeit ja nichts zu tun. Zumindest wäre mir nicht bekannt, dass die freie Marktwirtschaft (oder wie immer man unsere Wirtschaftsordnung bezeichnen will) nur funktionieren kann, wenn jeder an fünf Tagen in der Woche acht Stunden arbeitet.

Die politische Entwicklung geht bei uns allerdings in eine andere Richtung. Zumindest in der westlichen Welt reden momentan alle davon, dass ein Anheben des Rentenalters angesichts des demographischen Wandels unausweichlich sei. Am Ende soll der Einzelne also noch mehr arbeiten. Wenn sich die Prognosen bewahrheiten und dereinst die Roboter übernehmen, wird diese Strategie kaum aufgehen. Wenn der Kuchen dauerhaft kleiner wird, muss er neu verteilt werden. Dann muss das Verhältnis von Lohn, Arbeitszeit und Lebenshaltungskosten so justiert werden, dass man zum Beispiel auch mit 20 Stunden Arbeit pro Woche leben kann.

Es wäre interessant, das mal durchzurechnen; zwar müssten bei so einem Modell die Löhne markant steigen, da die Menschen über viel mehr Freizeit verfügten, würde aber auch der Konsum zunehmen. Zugleich sollten dank Automatisierung auch die Herstellungskosten für Güter sinken. Einfach wäre der Übergang zu einem solchen System sicher nicht, aber die Aussicht auf ein Leben mit massiv weniger Arbeitszeit ist eigentlich sehr erfreulich. Die Utopien wissen das freilich schon lange.

Update: Die NZZ am Sonntag hat in der letzten Ausgabe ebenfalls einen Artikel zum Thema veröffentlicht. Der Autor ist zwar darum bemüht abzuwägen, letztlich ist der Text aber – wie das Meiste, was zum Thema veröffentlicht wird – wenig mehr als ein Mischung aus spektakulären Beispielen und viel Ungewissheit. Und einmal mehr wird das mögliche Ergebnis – weniger Arbeit für alle – nicht als Chance, sondern als Problem wahrgenommen. Immerhin wird erwähnt, dass der hier bereits genannte Martin Ford in seinem Buch ein Grundeinkommen fordert, um den drohenden Erwerbsausfall abzufedern.

In René Clairs À Nous la Liberté (1931) sind die Arbeiter dank einer vollautomatisierten Fabrik von jeglicher Arbeit befreit. Einen Umstand, den sie durchaus zu geniessen zu scheinen.

Serien-Talk

Ab dem Ab 24. Januar zeigt der US-Sender Fox-TV neue Folgen von Chris Carters Mystery-Serie The X-Files. Aus diesem Anlass hat Radio SRF 2 Kultur eine Folge der Sendung Kontext dem Thema Fernsehserien gewidmet und meine Wenigkeit als Studiogast eingeladen. Ich parliere mit Ellinor Landmann und dem geschätzten Kollegen Michael Sennhauser über vergangenen und aktuelle Serienhits und darüber, warum ich als Kind von einer Baumstamm-Badewanne geträumt habe.

Evolution der Fernseh-Serien: Von Daktari zu Breaking Bad

 

Die Website der Sendung
 

Twin Peaks

Die Serie, die alles verändert hat: Twin Peaks

Das Jahr, das war

Zur Kategorie «Statistiken, die die Welt nicht braucht» gehört die folgende Auflistung aller Filme und Bücher, die ich mir im vergangenen Jahr zu Gemüte geführt habe. Natürlich fein säuberlich nach Kategorien geordnet.

Das erste Mal – Filmische Premieren

Im Folgenden sind alle Filme chronologisch aufgeführt, die ich 2015 zum ersten Mal gesehen. Wenn ich mich nicht verzählt habe, sind es insgesamt 73 Titel. Die Auswahl reicht dabei  von brandneuen Blockbustern wie Mad Max: Fury Road oder Star Wars: The Force Awakens bis zu filmhistorischen Stücken wie Marie-Louise oder The Jazz Singer (die übrigens beide nicht so schlecht waren wie befürchtet). Die meisten Filme habe ich leider nicht im Kino gesehen, sondern in meinen eigenen vier Wänden. Nicht aufgeführt sind Fernsehserien und – mit wenigen Ausnahmen – Kurzfilme. Die filmischen Highlights waren wohl Inside Out und Mad Max: Fury Road.

Mad Max: Fury Road

Mad Max: Fury Road

Im Keller, Ulrich Seidl, AT 2014.

Christian Schocher, Filmemacher, Marcel Bächtiger und Andreas Mueller, CH 2015.

Das dunkle Gen, Miriam Jakobs und Gerhard Schick, DE/CH 2014.

The Jazz Singer, Alan Crosland, USA 1927 (siehe dazu Wie die Juden Hollywood erfanden).

John Wick, Chad Stahelski, USA 2014.

Driften, Karim Patwa, CH 2015.

The Interview, Evan Goldberg und Seth Rogen, USA 2014.

Wild Tales, Damián Szifrón, AR/ES 2014.

Austin Powers: International Man of MysteryJay Roach, USA/DE 1997.

Jupiter Ascending, Andy und Lana Wachowski, USA/AU 2015.

Adieu au langage, Jean-Luc Godard, CH/FR 2014.

Everything or Nothing: The Untold Story of 007, Stevan Riley, GB 2014.

Birdman or (The Unexpected Virtue of Ignorance), Alejandro G. Iñárritu, USA 2014.

Predestination, Michael und Peter Spierig, AU 2014.

Divergent, Neil Burger, USA 2014.

Insurgent, Robert Schwentke, USA 2015.

Kingsman: The Secret Service, Matthew Vaughn, GB 2014.

Ex Machina, Alex Garland, GB 2015 (siehe meine Rezension).

Une nouvelle amie, François Ozon, FR 2014.

Avengers: Age of Ultron, Joss Whedon, USA 2015 (siehe meine Rezension).

Bouboule, Bruno Deville, BE/CH 2014.

Das ewige Leben, Wolfgang Murnberger, AT 2015.

Mad Max: Fury Road, George Miller, AU/USA 2015.

Tomorrowland, Brad Bird, USA/ES 2015 (siehe diesen und diesen Blogeintrag).

Freak Out!, Carl Javér, NO/DE/DK/SE/GB/USA/CH/AT 2014.

Jurassic World, Colin Trevorrow, USA 2015.

Terminator Genisys, Alan Taylor, USA 2015.

The Visit, Michael Madsen, DK/AT/IR/FI/NO/SE/NL 2015 (siehe meinen Text für das Programmheft des Filmpodiums).

Into Eternity: A Film for the Future, Michael Madsen, DK/FI/SE/IT 2010.

Mission: Impossible – Rogue Nation, Christopher McQuarrie, USA 2015 (siehe meine Rezension).

Utopia, John Pilger, GB 2013.

Atlas Shrugged Part I, Paul Johansson, USA 2011.

My Dinner with André, Louis Malle, USA 1981.

Birth, Jonathan Glazer, USA/GB/DE/FR 2004.

CQ, Roman Coppola, USA/LU/FR/IT.

Thief, Michael Mann, USA 1981.

Ich seh, ich seh, Severin Fiala, Veronika Franz, AT 2014 (siehe meine Spoiler-Kolumne).

The Wolfpack, Crystal Moselle, USA 2015 (siehe meine Rezension).

Inside Out, Pete Docter, Ronnie Del Carmen, USA 2015.

The Time Traveler’s Wife, Robert Schwentke, USA 2009.

Legend, Ridley Scott, USA/GB 1985.

Antonia’s Line, Marleen Gorris, NL/BE/GB/FR 1995.

Dürrenmatt: Eine Liebesgeschichte, Sabine Gisiger, CH 2015 (siehe Der Dichter und seine Frau).

Marie-Louise, Leopold Lindtberg, CH 1944 (siehe Wie Dutti den Oscar gewann).

Wednesday, May 9, Vahid Jalilvand, IR 2015.

Fish & Cat, Shahram Mokri, IR 2013.

Incendies, Denis Villeneuve, CA 2010.

The Martian, Ridley Scott, USA/GB 2015.

The Zero Theorem, Terry Gilliam, GB/RO/FR/USA 2013.

Black Mass, Scott Cooper, USA/GB 2015.

Spectre, Sam Mendes, GB/USA 2015 (siehe meine Rezension).

Meteor, Christoph Girardet und Matthias Müller, DE 2011.

Afronauts, Frances Bodomo, USA 2014.

Swiss Made, Fredi M. Murer, CH 1968.

Keeping the Faith, Edward Norton, USA 2000.

Enemy of the State, Tony Scott, USA 1998.

Heimatland, Lisa Blatter, Gregor Frei, Benny Jaberg, Carmen Jaquier, Jonas Meier, Tobias Nölle, Lionel Rupp, Mike Scheiwiller, Jan Gassmann, Michael Krummenacher, CH 2015.

The Driller Killer, Abel Ferrara, USA 1979.

Hitchcock/Truffaut, Kent Jones, FR/USA 2015.

Köpek, Esen Isik, CH/TR 2015 (siehe Ein Hunde-Elend).

It Follows, David Robert Mitchell, USA 2014.

Projections of America, Peter Miller, DE/USA/FR 2014.

Legend, Brian Helgeland, GB/FR 2015 (siehe meine Rezension).

The Krays, Peter Medak, GB 1990.

Star Wars: The Force Awakens, J.J. Abrams, USA 2015 (siehe Die Macht der Nostalgie).

Point Break, Ericson Core, DE/CN/USA 2015.

The Revenant, Alejandro G. Iñárritu, USA 2015.

Schellen-Ursli, Xavier Koller, CH 2015.

The Hateful Eight, Quentin Tarantino, USA 2015.

Nichts passiert, Micha Lewinsky, CH 2015.

Rider Jack, This Lüscher, CH 2015.

Youth, Paolo Sorrentino, IT/FR/CH/GB 2015.

Reprisen

Die ersten Monate waren filmisch von meiner Recherche für einen Artikel zur James-Bond-Reihe geprägt, der dieses Jahr erscheinen sollte (gewissermassen eine Light-Version ist als Ikone des Zeitgeists in der Filmzeitschrift Frame erschienen). Ansonsten war – natürlich – Barry Lyndon wieder einmal ein alles andere überragendes Highlight.

Sean Connery

Der erste Auftritt des einzig wahren James Bond: Sean Connery in Dr. No.

Dr. No, Terence Young, GB 1962.

From Russia With Love, Terence Young, GB 1963.

Goldfinger, Guy Hamilton, GB 1965.

Thunderball, Terence Young, GB 1965.

You Only Live Twice, Lewis Gilbert, GB 1967.

On Her Majesty’s Secret Service, Peter Hunt, GB 1969.

Diamonds Are Forever, Guy Hamilton, GB 1971.

Live and Let Die, Guy Hamilton, GB 1973.

The Man with the Golden Gun, Guy Hamilton, GB 1974.

When Harry Met Sally…, Rob Reiner, USA 1989.

The Spy Who Loved Me, Lewis Gilbert, GB 1977.

Moonraker, Lewis Gilbert, GB/FR/USA 1979.

For Your Eyes Only, John Glen, GB/USA 1981.

Octopussy, John Glen, GB/USA 1983.

Never Say Never Again, Irvin Kershner, GB/USA/DE 1983.

A View to a Kill, John Glen, GB/USA 1985.

The Living Daylights, John Glen, GB/USA 1987.

Under the Skin, Jonathan Glazer, GB/USA/CH, 2013.

Terminator 2: Judgment Day, James Cameron, USA/FR 1991.

Spartacus, Stanley Kubrick, USA 1960.

The Terminator, James Cameron, GB/USA 1984.

Barry Lyndon, Stanley Kubrick, GB/USA/IR 1975.

Interstellar, Christopher Nolan, USA/GB 2014 (siehe Nachricht von Papi).

GoldenEye, Martin Campbell, GB/USA 1995.

Tomorrow Never Dies, Roger Spottiswoode, GB/USA 1997.

Les 400 coups, François Truffaut, FR 1959.

Mad Max, George Miller, AU 1979.

Mad Max 2: The Road Warrior, George Miller, AU 1981.

The World Is Not Enough, Michael Apted, GB/USA 1999.

Die Another Day, Lee Tamahori, GB/USA 2002.

Casino Royale, Martin Campbell, GB/CZ/USA/USA/DE/BS 2006.

Quantum of Solace, Marc Forster, GB/USA 2008.

Skyfall, Sam Mendes, GB/USA 2012.

True Lies, James Cameron, USA 1994.

Sexy Beast, Jonathan Glazer, GB/ES 2000.

Drive, Nicolas Winding Refn, USA 2011.

The Omega Man, Boris Sagal, USA 1971.

Johnny Guitar, Nicholas Ray, USA 1954.

There’s Something About Mary, Bobby und Peter Farrelly, USA 1998.

Back to the Future, Robert Zemeckis, USA 1985.

Back to the Future Part II, Robert Zemeckis, USA 1989.

Point Break, Kathryn Bigelow, USA/JP 1991.

Fargo, Joel und Ethan Coen, USA/GB 1996.

Love Actually, Richard Curtis, GB/USA/FR 2003.

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Literatur –

Belletristik

Allzu viele Romane habe ich 2015 nicht geschafft, und fast die Hälfte waren Teil meiner James-Bond-Recherchen. Die Highlights waren auf jeden Fall Michel Fabers Under the Skin (sehr anders als der grossartige Film von Jonathan Glazer, aber definitiv eine Entdeckung) sowie Kim Stanley Robinsons Aurora. Robinsons Roman ist nicht perfekt, aber ebenfalls lesenswert.

Ian Fleming: Casino Royale.

Ian Fleming: Live and Let Die.

Ian Fleming: Moonraker.

Ian Fleming: Diamonds Are Forever.

Faber, Michel: Under the Skin.

Leif Randt: Planet Magnon (siehe meine Rezension).

Ian Fleming: From Russia With Love.

Ian Fleming: Dr. No.

Kim Stanley Robinson: Aurora.

Morus, Thomas: Utopia. Aus dem Englischen übers. von Michael Siefener. Wiesebaden 2013 (siehe meine Rezension).

Samuel R. Delany: The Jewels of Aptor.

P.M.: Bolo’Bolo.

Niccolò Machiavelli: Der Fürst.

Dietmar Dath: Venus siegt.

Wissenschaftliche Literatur

Bei wissenschaftlicher Literatur gestaltet sich die Liste schwieriger, da ich – wie wohl die meisten Wissenschaftler – die wenigsten Bücher von vorne bis hinten durcharbeite. Die folgenden Titel habe ich aber alle mehr oder weniger komplett gelesen. Etwas vom Besten war dabei David Wittenbergs Studie zu Zeitreise-Erzählungen. Im Bereich Utopie war ich besonders von der Arbeit von Susanna Layh sowie dem Klassiker von Peter Kuon angetan.

Einige der folgenden Titel habe ich rezensiert; Links zu den Besprechungen folgen, sobald diese erschienen sind.

Werder, Peter R.: Utopien der Gegenwart. Zwischen Tradition, Fokussierung und Virtualität. Zürich 2009. → Amazon

Rohgalf, Jan: Jenseits der großen Erzählungen. Utopie und politischer Mythos in der Moderne und Spätmoderne. Mit einer Fallstudie zur globalisierungskritischen Bewegung. Wiesbaden 2015. → Amazon

Johnson, Steven: Everything Bad is Good for You. London 2006. → Amazon

Tietgen, Jörn: Die Idee des Ewigen Friedens in den politischen Utopien der Neuzeit. Analysen von Schrift und Film. Marburg 2005. → Amazon

Wittenberg, David: Time Travel. The Popular Philosophy of Narrative. New York 2013. → Amazon

Case, George: Calling Dr. Strangelove. The Anatomy and Influence of the Kubrick Masterpiece. Jefferson 2014. → Amazon

Kuon, Peter: Utopischer Entwurf und fiktionale Vermittlung. Studien zum Gattungswandel der literarischen Utopie zwischen Humanismus und Frühaufklärung. Heidelberg 1986. → Amazon

Layh, Susanna: Finstere neue Welten. Gattungsparadigmatische Transformationen der literarischen Utopie und Dystopie. Würzburg 2014. → Amazon

Schmid, Sonja: Im Netz der Filmgenres. The Lord of the Rings und die Geschichtsschreibung des Fantasygenres. Marburg 2014. → Amazon (siehe meine Rezension).

Chapman, James: Licence to Thrill. A Cultural History of the James Bond Films. 2. Aufl. London/New York 2007. → Amazon

Stoppe, Sebastian: Unterwegs zu neuen Welten. Star Trek als politische Utopie. Darmstadt 2014. → Amazon

Fritzsche, Sonja (Hg.): The Liverpool Companion to World Science Fiction Film. Liverpool 2014. → Amazon (siehe meine Rezension)

Gabler, Neal: An Empire of Their Own: How the Jews Invented Hollywood. New York 1988. → Amazon

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Tagungsankündigung: Things to Come (21.–23. Januar 2016)

In knapp drei Wochen findet die Tagung Things to Come. Science ∙ Fiction ∙ Film statt. Die Tagung wird von der Deutschen Kinemathek und dem Einstein Forum organisiert und findet in Berlin und Potsdam statt. Die Tagungsankündigung sagt Folgendes zum Thema:

Das Bild, das wir uns von der Zukunft machen, buchstäblich und im übertragenen Sinne, ist fest in unserer Gegenwart verankert. Es spielt mit unseren Erwartungen und Zweifeln, Hoffnungen und Ängsten. Längst haben sich die einst utopischen Weltentwürfe aber in überwiegend dystopische verwandelt: Das zeigt sich vor allem auch in der erneuten Konjunktur von filmischen Zukunftsvisionen. Sie entfalten, ob im All oder auf der Erde, Überwachungsszenarien, Gesundheitsdiktaturen, ökologische Katastrophen oder gleich postapokalyptische Landschaften. Es geht dabei nicht nur um technische und wissenschaftliche Entwicklungen, sondern auch darum, wie der Mensch von morgen und die Gesellschaft der Zukunft aussehen werden. Science Fiction, als populäres Genre entstanden, ist zu einem philosophischen Feld imaginärer Experimente geworden: Was werden wir wissen? Wie sollen wir mit diesem Wissen umgehen? Wie wollen wir leben? Was wird ein Mensch sein?

Obwohl es um Spielfilme geht, pass das Tagungsthema passt natürlich sehr gut zu meiner aktuellen Beschäftigung mit Utopien. Mein Vortrag, den ich am Morgen des 22. Januars halten werden, trägt den Titel Tomorrowland ist abgebrannt. Das Problem der positiven Zukunft in der Science Fiction. Aufmerksame Leser dieses Blogs können sich wahrscheinlich schon ungefähr vorstellen, um was es gehen wird. Anhand von Brad Birds wunderbar verkorkstem Film Tomorrowland, über den ich hier bereits geschrieben habe (siehe diesen und diesen Eintrag), werde ich ein paar Überlegungen zu Science Fiction, Film und positiven Zukunftsentwürfen anstellen

Sieht so die Zukunft aus?

Sieht so die Zukunft aus?

Das übrige Tagungsprogramm sieht viel versprechend aus; die Vortragenden sind sowohl was die geographische wie auch die fachliche Herkunft betrifft, bunt gemischt. Es verspricht eine interessante Veranstaltung zu werden, auf die ich mich sehr freue.

Die Website der Tagung und die Tagungsbroschüre als PDF.

 

Der Auftakt zum Utopia-Jubiläum

2016 stehen diverse Jubiläen an: 100 Jahre Dada Zürich, der 400. Todestag von William Shakespeare, 500 Jahre bayerisches Reinheitsgebot sowie das 500-jährige Jubiläum der Erstausgabe von Utopia. Im Dezember 1516 erschien beim Drucker Dirk Martens im niederländischen Löwen Thomas Morus’ De optimo rei publicae deque nova insula Utopia, wie das Werk mit vollem Titel heisst (ein frei verfügbares Digitalisat dieser Erstausgabe konnte ich bislang nicht finden; die dritte in Basel erschienenen Version, die allgemein als Referenzausgabe gilt, ist dagegen als PDF erhältlich).

Utopia (1518)

Das Titelblatt der Utopia-Ausgabe von 1518.

Dass ein Buch auch ein halbes Jahrtausend nach seinem Erscheinen noch diskutiert wird, kommt selten genug vor. Im Falle der Utopia scheint das Interesse mit jedem Jahrhundert zuzunehmen. Die Fülle an Publikationen zu Morus’ Meisterwerk ist längst nicht mehr zu überblicken und nimmt laufend zu; dass im Jubiläumsjahr zahlreiche Tagungen zum Thema anstehen, versteht sich von selbst (auch ich selber bin für eine mitverantwortlich, aber dazu später mehr, wenn die Sache konkreter wird).

Doch auch ausserhalb des akademischen Zirkus scheint das Thema Utopie so aktuell wie noch nie. Im Zeitalter von Terrorismus, Banken- und Flüchtlingskrise sowie Klimaerwärmung, werden allerorten neue Utopien gefordert resp. die dystopischen Zustände der Gegenwart beklagt (siehe dazu auch diesen Blogeintrag). Kaum ein Zeitungsfeuilleton, das sich in den vergangenen Jahren nicht zum Thema geäussert hätte, und dieses Jahr dürften es noch mehr werden. Es steht heuer also einiges an. Ich habe denn auch vor, dieses Jahr regelmässiger zum Thema bloggen. Mal schauen, ob ich diesem Vorsatz Folge leisten kann, oder ob er sich als utopisch erweisen