SF/F Now

Ende letzter Woche war ich an der Konferenz SF/F Now an der University of Warwick, organisiert von Rhys Williams und Mark Bould. Die zweitägige Veranstaltung konnte mit zahlreichen grossen Namen aus dem Gebiet der SF- und Utopieforschung aufwarten und war für mich eine ideale Gelegenheit, mein Forschungsprojekt erstmals in einem internationalen Rahmen zu präsentieren. Durchaus überraschend war für mich, wie präsent das Thema Utopie an der Tagung war. Oder vielmehr: Wie sehr das Fehlen von Utopien beklagt wurde. Das lag nicht zuletzt an der stark politischen – um nicht zu sagen marxistischen – Ausrichtung der Tagung. Insgesamt herrschte ein starke Tendenz, die diskutierten Filme und Romane eins zu eins auf die aktuelle politische Situation zu übertragen. Und die ist zumindest in den Augen der Tagungsteilnehmer düster. Mark Fisher brachte es in seinem Vortrag auf den Punkt: Wir sind in eine Phase des «Capitalist Realism» eingetreten (so auch der Titel von Fishers Buch. Der Kapitalismus hat alle Bereiche so komplett durchdrungen, dass Alternativen noch nicht einmal mehr denkbar sind. In den Worten Fredric Jamesons: «It’s easier to imagine the end of the world than to imagine the end of capitalism.» Entsprechend gibt es heute auch keine utopischen Entwürfe mehr.

Red Mars von Kim Stanley Robinson.

Red Mars von Kim Stanley Robinson.

Ich bin aus verschiedenen Gründen nicht sicher, ob diese Diagnose wirklich zutrifft. Liegt es wirklich an unseren schlimmen Zeiten – die mir trotz allem nicht so düster scheinen –, dass keine Utopien mehr geschrieben werden, oder liegen hier nicht eher gattungsinterne Gründe vor? Die Form der klassischen Utopie war um 1900 an ihrem Ende angelangt; entsprechend hat die Gattung im folgenden Jahrhundert so viele Wandlungen durchgemacht wie nie zuvor. Zuerst mit der negativen Form der Dystopie, später, in den 1960er- und 1970er-Jahre mit den sogenannten kritischen Utopien, welche die totalitäre Tendenz der klassischen Utopien der Kritik unterzogen.[ref]Berühmte Beispiele hierfür wären Delanys Triton, Le Guins The Dispossessed oder Piercys Woman on the Edge of Time.[/ref]Für mich stellt sich die Frage, ob nach den kritischen Utopien überhaupt noch eine Weiterentwicklung möglich ist oder ob die Form mittlerweile nicht ausgereizt ist.[ref]Eine Weiterentwicklung, Vladimir Sorokins Der Tag des Opritschniks, habe ich bereits früher erwähnt. Es handelt sich dabei um eine Dystopie, die ganz ohne Gegenposition zur dystopischen Ordnung auskommt.[/ref]

Ausgehend von dieser Frage sucht wir in einem Workshop für Beispiele für zeitgenössische Utopien. Das einzige Beispiel, auf das wir uns dabei einigen konnten, war das Werk von Kim Stanley Robinson. Bislang habe ich leider nur Red Mars, den ersten Teil von Robinsons berühmter Mars-Trilogie gelesen. Ein hochintelligentes Buch über die Besiedlung des Mars, das fortlaufend die Probleme utopischer Projekte thematisiert. Robinson ist zweifellos ein Autor, der die utopische Tradition weiterführt, und dies zudem noch in äusserst reflektierter Form. Da trifft es sich doch ausgezeichnet, dass er in zwei Wochen nach Zürich kommt