Wie im letzten Eintrag angekündigt, war ich vergangene Woche in Berlin an der Tagung Embattled Heavens. Thema der Konferenz waren Kämpfe in und um den Weltraum in allen denkbaren Facetten. Das mag sich auf den ersten Blick ein bisschen seltsam anhören, ist im Grunde aber ein durchaus nahe liegendes Thema. Die Geschichte der Raumfahrt ist nun einmal eng mit politischen und militärischen Fragen verknüpft; beispielsweise hätte ohne den Kalten Krieg der erste Flug zum Mond kaum schon 1969 stattgefunden (kleine Wissensfrage am Rande: Wer war der dritte Mann auf dem Mond? Ich selbst habe keine Ahnung resp. habe den Namen bereits wieder vergessen. Durchaus beruhigend, dass viele Konferenzteilnehmer ebenfalls nicht in der Lage waren, aus dem Stand, die korrekt Antwort – Michael Collins – zu geben Korrektur: Wie Uli im Kommentar korrekt bemerkt, war Michael Collins zwar der dritte Teilnehmer der Apollo-11-Mission, aber nicht der dritte Mensch auf dem Mond. Diese Ehre kommt vielmehr Charles «Pete» Conrad, Jr., dem Kommandanten der Apollo-12-Mission, zu.), und später gab es unter US-Präsident Reagan doch einigermassen ernsthafte Pläne zur Aufrüstung im All.
An der Tagung waren Historiker, Geographen, Literatur- und Kulturwissenschaftler sowie Spezialisten für Verschwörungstheorien und sogar ein waschechter UFO-Gläubiger versammelt, und insgesamt war die Stimmung sehr angenehm. In meiner Erfahrung sind interdisziplinäre Tagungen oft entspannter als ausgesprochene Fachtagungen, da der Konkurrenzkampf weniger ausgeprägt ist. Da ohnehin jeder in einem anderen Gebiet tätig ist, muss man auch nicht die ganze Zeit zeigen, wie viel besser man Bescheid weiss als die anderen. Ein kleines Highlight war für mich der Vortrag von Jörg Hartmann, den ich schon seit längerer Zeit kenne. Jörg sprach über Weltraumschiff 1 startet, einen ziemlich obskuren deutschen Kurzfilm aus dem Jahr 1937. Der Film ist seit längerer Zeit frei im Web erhältlich, über seine Entstehung ist aber wenig bekannt. Jörg ist – auch für ihn eher unerwartet – zum Recherchier-Spürhund geworden, wobei es ihm gelang, den Sohn des Regisseurs Anton Kutter ausfindig zu machen1. In seinem Vortrag konnte er dann Material präsentieren, das vorher kaum jemand gesehen hatte – u.a. das Originaldrehbuch und grossartige Set-Fotos. Ich hoffe, dass daraus mal eine eigene kleine Publikation wird.
Für mein eigentliches Thema direkt warf die Tagung zwar nicht allzu viel Konkretes ab, es war aber doch interessant, dass nicht nur der Begriff «Science Fiction» oft fiel, sondern dass auch immer wieder von Utopien die Rede war. Zwar kaum je in dem engen Sinn, der mich primär interessiert, aber das All ist definitiv eine Projektionsfläche für utopische Phantasien.
Dass ich durch die relativ spezialisierte meines Vortrags ein bisschen aus dem Tagungsrahmen fallen würde, hatte ich erwartet, und so überraschten mich die unterschiedlichen Reaktionen auf meinen Vortrag denn auch nicht sonderlich. Manchen war die Frage, ob Starship Troopers als klassische Utopie gelten kann, wohl zu weit weg vom eigentlichen Thema.2 Viele positive Reaktionen gab es dafür, wenn ich bei den diversen Gesprächen zwischen den Vorträgen von meinem Forschungsprojekt erzählte. Das Thema stösst zu meiner grossen Freude auf reges Interesse.
In diesem Zusammenhang freut es mich auch, dass mein Proposal für die Tagung SF/F Now, die am 22. und 23. August an der University of Warwick stattfinden, angenommen wurde. Ich werde die Gelegenheit nutzen, um dort mein Projekt erstmals einem internationalen Publikum zu präsentieren.
- Auf Anton Kutter bin ich kürzlich selbst gestossen und zwar in Zusammenhang mit dessen Film Ein Meer versinkt (1936) (gesehen habe ich den Film noch nicht, Auszüge daraus gibt es ebenfalls auf YouTube). Dieser Film dreht sich um das wahnwitzige Altantropa-Projekt, das zum Ziel hatte, einen Staudamm in der Strasse von Gibraltar und bei den Dardanellen zu errichten, um so Teile des Mittelmeers trocken zu legen. Ich hoffe, dass ich später noch ausführlicher auf Atlantropa eingehen werde. [↩]
- Ich teilte das Panel mit Philipp Theisohn, der an der Universität Zürich das Forschungsprojekt Conditio Conditio extraterrestrisch über das All als literarischen Imaginations- und Kommunikationsraum. Auch er sprach zu Heinleins Romans. Dass sich ausgerechnet die beiden Zürcher Tagungsteilnehmer mit dem gleichen Roman beschäftigen, ist doch einigermassen originell.[↩]